Strassen der Zukunft

16.09.2018

A5 Westast

Ein Wort das spaltet

Strassenbau, ein Wort das zurzeit ganz Biel und Nidau bewegt. Geht es doch um nichts geringeres als den Bau des letzten Teilstückes des Nationalstrassennetzes. Konkreter: Die Westumfahrung von Biel, auch A5 Westast genannt.

Die Menschen hier in Biel, sind in mindestens zwei Lager gespalten. Befürworter des offiziellen Projektes, sowie Gegner dessen. Daneben gibt es Leute wie mich, und das sind nicht wenige, konnte ich mittlerweile erstaunt feststellen, die weder die Version des Kantons befürworten, sondern auch der Alternative nichts abgewinnen können. Besonders zu spüren bekam ich das an der Veranstaltung letzten Donnerstag, im Kongresshaus Biel. Es war ein Informations- und Diskussionsabend zugleich. Zuerst wurden beide Projekte verglichen, was denn bei beiden die Vorteile und Nachteile sind. Sehr aufschlussreich, muss ich sagen, jedoch spürte man während der Veranstaltung immer ein bisschen die Abwertung der Alternatividee heraus. Einige Fakten wusste ich bis dahin auch noch nicht. Zum Beispiel, dass von den vier Spuren des offiziellen Projektes (zwei in je eine Richtung), nur je eine für den Durchgangsverkehr geplant ist. Die andere ist für den Regionalverkehr also städtischen Verkehrsfluss gedacht. Wenn ich das ein bisschen weiterdenke, unterscheidet sich in dieser Hinsicht die Alternative nicht wirklich vom kantonalen Projekt. Denn auch bei der Alternatividee, fährt der Durchgangsverkehr einspurig in jede Richtung. Einfach komplett unter Tage, und das vom Brüggmoos bis zum Rusel. Der städtische Verkehrsfluss wird oberirdisch geführt. Es entfallen die riesigen Löcher für die Anschlüsse der Autobahn beim Biel Centre (Vollanschluss) und bei der Seevorstadt (Halbanschluss). 

Nun, warum kann ich beiden Varianten nichts abgewinnen? 

Sie gehen nicht aufs Kernproblem ein. Sie wollen Symptome beheben, die dann an anderen Orten, in anderer Form wieder auftauchen werden. Wie es bei der Medizin so ist. Nimmst du ein Medikament gegen Muskelschmerzen, wirst du plötzlich an Bauchschmerzen leiden. So nimmst du etwas gegen Bauchschmerzen und verspürst plötzlich Unruhe, innere Gestresstheit (was sich sehr subtil bemerkbar macht!), so nimmst du etwas dagegen und bekommst Kopfschmerzen. Davon kriegst du Probleme mit dem Blutdruck. Er sinkt zu stark ab, durch die mittlerweile unzähligen Medikamente, die in Kombination zueinander, unberechenbar wirken. Und so weiter und so fort. Ein wahrer Teufelskreis, aus dem man nur noch mit grösster Mühe, jemals wieder heil herauskommt. 

Das ist Symptombehandlung. Kurzzeitiges Denken. Funktioniert auf kurze Sichtweise hervorragend, aber auf lange Sicht hinaus gesehen, verursacht es eine Katastrophe. So verhält es sich mit den beiden Autobahnprojekten. Wir beheben lediglich die Symptome unserer wohlstandsverwöhnten Gesellschaft. Wir sind zu faul geworden, um auf den altbewährten Drahtesel umzusteigen. Sogar für kleine Distanzen, steigen wir ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, ins Auto ein. Völlig normal ist es geworden. Jetzt gibt es halt zu viele Autos auf der Strasse, aufgrund unserer Bequemlichkeit und der Abneigung gegen alternative Fortbewegungsmittel. Besonders auch, weil sich heute jeder ein Auto "leisten" kann. Wie? Leasing! Für einige hundert Franken monatlich, fährt man Auto. Dumm nur, dass viele dabei nicht berücksichtigen, dass sie damit in eine potenzielle Schuldenfalle getappt sind. Doch das soll nun nicht das Thema dieses Eintrages werden. Und um eben diesem enormen Verkehraufkommen wieder Herr zu werden, baut man einfach Autobahnen, grosse Autobahnen. Anstatt zu vermitteln, dass es noch einen anderen Weg gibt, der aber für einige relativ unbequem ist: SEIN EIGENES VERHALTEN ZU ÄNDERN! 

Wir brauchen keine neuen Strassen für Autos! Das sage ich ganz offen. Wenn jeder wirklich Weise darüber entscheiden würde, wann das Auto zu nutzen, wann es wirklich sinnvoll ist, dann hätten wir schon mindestens die Hälfte des Verkehrs weniger, sage ich jetzt frei aus dem Bauch heraus. Sei ehrlich zu dir selbst, wieviele deiner Autofahrten sind wirklich notwendig. Einkaufen? Zu Kollegen gehen? Zur Arbeit fahren? Coiffeurbesuche? Tagesausflug?

Ich bezweifle sehr, dass wenn mir jemand erklärt, alle diese Tätigkeiten, seien eine unabdingbare Notwendigkeit für ein Auto. Es gibt aber Situationen, wo es praktisch ist das Auto zu benützen. Ich fuhr schon ein paar mal Freunde an den Flughafen Zürich, mitten in der Nacht, wenn kein Zug mehr fährt, weil der Abflug um 6 Uhr Morgens war. Das ist in meinen Augen eine Situationen, die das Autofahren rechtfertigen kann. Kann deswegen, weil man eigentlich schon am Tag vorher, in einem sogenanntes Airport Hotel (im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern um den Flughafen) hätte eine Übernachtung buchen können. So hätte man gemütlich und in aller Gelassenheit per ÖV, ebenfalls an den Flughafen gelangen können. Man sieht an diesem Beispiel (nur eines von vielen) sehr deutlich, wie man das Auto relativ schnell überflüssig macht. 

Und genau das ist mein springender Punkt. Wenn mehr Leute realisieren würden, wie einfach und vor allem gesund es ist, mehr, sogar viel mehr, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, dann wäre das Verkehrsproblem so ziemlich schnell eine Verkehrslösung. Man bräuchte halt einfach MODERNERE und VIEL BREITERE Velostrassen. Velowege haben ausgedient, wenn wir den lokalen Langsamverkehr fördern wollen. Wir brauchen mehr Platz, es soll ein wahres Vergnügen werden, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Ein Streifen am Rande der Strasse, von knapp eineinhalb Metern Breite, lädt nicht ein zum Velofahren. Im Gegenteil: Es schreckt viele ab. Auch ich wurde vor knapp zwei Monaten in Twann, von einem Auto auf der Strasse touchiert. Zum grossen Glück konnte ich schnell reagieren und mich dementsprechend auffangen, so dass nichts passierte. Ausser einem Schock, der mich noch mehr dazu anleitete, aktiver für alternative Verkehrsformen einzustehen. Wir müssen aus dem Velofahren ein unvergleichbares Erlebnis machen, nur so haben wir eine reelle Chance, die Mobilität wirklich nachhaltig zu gestalten. Das würde wahren Fortschritt bedeuten und nicht riesige Autobahnen mit Kosten im Milliardenbereich.

Und sogar beim Bau der Velostrassen, könnten wir effizient sein. Oh ja, effiziente und nachaltige Strassen gibt es. Ich stelle hier kurz ein hochinnovatives Projekt vor. Anbei ein paar Bilder und das offizielle Video zu der "Plastikstrasse". Sehen kannst du es umgehend, wenn du auf die blaue "Download" Schaltfläche klickst.

Dieses Projekt beweist uns eindrücklich, es geht auch anders! 

Modernste Velowege, einfache, schnelle Bauweise, Beitrag gegen das weltweite Abfallproblem, längere Lebensspanne.... Dagegen wirken unsere beiden Modelle, Ausführungsprojekt, sowie die Alternatividee, einfach nur lächerlich. Anders kann man das nicht ausdrücken. 

Da stellt sich einem echt nur noch die Frage, wie lange wir noch über solche ineffiziente und altmodischen Projekte diskutieren wollen, anstatt einen Schritt vorwärts in Richtung Zukunft zu wagen. Was hält uns davon ab? Nichts, wenn wir ehrlich sind. Das Geld ist vorhanden. Und auch nur ein Bruchteil dessen, würde für diese Idee der Zukunft auch tatsächlich benötigt werden. Den Rest könnte man sparen und einsetzen, um zum Beispiel die Krankenkassenprämien zu sanieren und zu senken. Ich bekam am Freitag die neuste Ausgabe des CSS-Magazins, in welchem die jährlichen, schweizweiten Kosten der Spitexleistungen sowie Pflegeheimen, beziffert wurden. 449 Millionen Franken. Das wäre nur eine Idee, wie man öffentliche Gelder anders, sinnvoller einsetzen kann. Beim Militär wäre auch noch die einte oder andere Milliarde zu holen, doch das ist ein anderes Thema.

Wir können es besser machen. Wir müssen es nur wollen!

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